Das Interview hatte es tatsächlich in sich. BVB-Innenverteidiger Marin Pongracic, ausgeliehen vom VfL Wolfsburg, plauderte bei einem langen Gespräch mit dem Künstler Samuel Sibilski, bekannt als SSYNIC, auf dessen Twitch-Kanal aus dem Nähkästchen.
Toll für die Medien, schlecht für die beiden Vereine. Die kündigten bereits Sanktionen an, nachdem man den Vorfall intern aufgearbeitet hat. Jetzt muss man auch als neutraler Beobachter feststellen, der Österreicher ist natürlich etwas über das Ziel hinausgeschossen, indem er sich zur Ausfallzeit von Erling Haaland, das Knie von Mats Hummels oder über seinen Ex-Trainer Mark van Bommel ausgelassen hat.
Wobei es früher auch nicht so ein Staatsgeheimnis war, welche Verletzung sich ein Spieler zugezogen hat oder wie lange die Ausfallzeit beträgt. Fakt ist: Jeder Verein wünscht sich Leader, Spieler, die vorangehen, eine Mannschaft führen können.
Sobald sich diese Spieler aber abseits des Platzes bewegen, sollen sie sich - nachdem sie intensives Training im Umgang mit den Medien hatten - so defensiv und nichtssagend äußern wie es nur geht. Falls sie überhaupt reden - also abseits der vereinseigenen Kanäle.
Um etwas nostalgisch zu werden: Wo Mario Basler, Stefan Effenberg, Oliver Kahn oder Matthias Sammer früher auch öffentlich Klartext redeten, den Finger in die Wunde legten, wenn ihnen etwas nicht passte, wird heute fast ausschließlich in Plattitüden oder gelernten Satzbausteinen fabuliert.
Aussagekraft haben die wenigsten Aussagen. Daher wirkte es so erfrischend, wie sich Pongracic in diesem Interview nicht zusammenriss, aus seinem Herzen keine Mördergrube machte. Oder denkt irgendwer, dass es tatsächlich zu so vielen einvernehmlichen Abschieden kommt, wo man sich Händchen haltend trennt, nachdem man vorher nicht so zum Zuge kam wie erhofft?
Nein, Spieler möchten Trainer am liebsten packen, wie es Pongracic erzählte, andersrum dürfte es ebenso sein. Nur darf das niemand mehr sagen, spätestens bei einer Autorisierung würden diese Passagen gestrichen. Auch das ist die neue Welt - man muss sie nicht mögen, Pongracic wird sicher kein Freund davon sein. Doch auch er muss sich jetzt anpassen, denn die Zeiten, wo regelmäßig Klartext gesprochen wurde, die sind (leider) vorbei.
Und das nicht nur, weil wir Medien uns natürlich vermehrt knackige Aussagen wünschen. Aber wir waren und sind auch alle Fußballfans - und auch da haben wir früher, jetzt und in der Zukunft lieber Klartext gehört als Phrasen rund um den erwartet schwierigen Gegner.